Koblenzer Jugendtheater zeigt brutalen Alltag im KZ-Außenlager Treis
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Dieser Text entstand 2005 während meines Volontariats bei der Rhein-Zeitung, Koblenz, bei der hausinternen Fortbildung zum Thema Kulturberichterstattung. Wir schrieben – leider – für den Papierkorb. Meinen Text finde ich trotzdem gut und – viel wichtiger – das Thema so bedeutsam, dass ich ihn hier veröffentliche.
Die Willkür, das Abscheuliche, das Geleugnete – die dunkle Seite des „Dritten Reiches“ fand auch vor der Haustür, in der Heimat statt. Das Jugendtheater zeigt in der Kufa „Schatten von Menschen“ des Löfer Schriftstellers Ernst Heimes. In dem Stück geht es um das 1944 errichtete KZ-Außenlager Treis bei Cochem.
Atmosphäre voller Angst
Die Stockschläge der SS-Lagerwachen gehen dem Zuschauer ins Mark. Wenn die Hiebe niedergehen, schlagen die Darsteller an das Metallgerüst auf der Bühne. Solche Mittel, die angesichts des spartanischen Bühnenbilds umso mehr wirken, setzt Regisseur Bruno Lehan bei seinem Debüt geschickt ein, um dem Publikum die angsterfüllte Atmosphäre des Lagers näher zu bringen. Das Gerüst, das die Bühne an drei Seiten umgibt, verdeutlicht die Ideologie: Oben die Herrenmenschen. Ganz unten die Gefangenen.
Das Stück hätte mehr Konturen, hätte Lehan diese Sparsamkeit an Effekten durchgehalten. Einmal lässt er eine Toilettenspülung rauschen. Und gegen Ende treten viel zu oft die an Zara Leander erinnernde Sängerin (Annemarie Hoyermann) und ihre Flötenspielerin (Anna Braun) auf. Sätze wirken hölzern; so muss Chauffeur Klaus (Gunner Falk) über Himbeeren dozieren: „In allen Reihen fest, hängen sie im Geäst.“ Der Gefangene Albert (Hüseyin Ozkececi) bleibt gelegentlich akustisch unverständlich.
Lang anhaltender Applaus
Doch das sind Kleinigkeiten: Es gelingt Lehan, beim Publikum eine echte Betroffenheit zu erzeugen. Großen Anteil daran haben die jungen Schauspieler, zwischen 15 und 26 Jahre alt. So mimt Lars Weisbrod den sadistischen Lagerleiter Walter Busse, der mal gleichgültig auf einem Stuhl hängt, mal perfide über die einschneidende Wirkung von Stockschlägen doziert. Oder Simon Breuer, der den Hilfsarbeiter Will gibt. Heikle, verhaltene Situationen spielt er mit Feingefühl und ohne Pathos. Das Publikum gab für solche Leistungen zu Recht einen lang anhaltenden Applaus.
Das Stück schafft eine Nähe zur Heimat, die für viele Menschen aus der Region eine Zumutung sein muss: Längst nicht alle Zeitzeugen öffneten sich Autor Heimes bereitwillig. Viele schwiegen – und widmeten sich ihrem keimfrei entnazifizierten Dasein. Auch das Stück befasst sich mit diesem Verdrängen: Die
Zuschauer blicken in das Gefängnis für Kriegsverbrecher in der französischen Zone in Wittlich. Dort sitzt, im Juli 1954, der Ex-Lagerleiter ein. Mit den beiden Wachen schaut er das WM-Finale. In ihrer kindlichen Freude über den Sieg („Wir sind Weltmeister, wir haben es geschafft!“) finden sie aufmunternde Worte für den verurteilten Kriegsverbrecher: „Bald heißt es: Wittlich ade.“
Kontrast zur verklärten Heimat
Die Vorlage Heimes‘ und das Stück selbst setzen einen wohltuenden Kontrapunkt zur oft verklärten Heimat von Edgar Reitz und zum Brauchtum zwischen Schützenfest, Dorfkirmes und Sonntagsmesse. Auch das Nahe und das Bekannte waren Schauplätze des Unmenschlichen. Die Heimat wurde zur Hölle. Auch dies unterstreicht das Stück: Klaus,der Chauffeur des Lagerleiters, findet beim Abendspaziergang schwärmerische Worte für die Mosellandschaft – „als wäre die Welt hier noch in Ordnung“. Und die SS-Lageraufseherin (Sonja Stegemann) fordert von einem ausländischen Häftling ohne Gnade und mit den ins Mark gehenden Stockschlägen: „Du sollst Deutsch schwätze!“
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